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Jahresthema 2025 „Trotzhoffnung“


Das Jahresthema 2025 „Trotzhoffnung“ schließt sich passend an das vom vergangenen Jahr an – da ging es um „Brüche. Spannungen. Umgehen.“. Denn eine Art des Umgangs mit den vielen Krisen unserer Zeit ist sicherlich die Hoffnung. Aber was, bitte schön, sollte man unter „Trotzhoffnung“ verstehen?

Zunächst wirkt die Zusammensetzung des Wortes aus „Trotz“ und „Hoffnung“ ziemlich widersprüchlich. Trotz blockiert, er stampft mit dem Fuß auf den Boden, verschränkt die Arme und geht keinen Schritt weiter. Trotz widersetzt sich, begehrt auf, lässt sich weder mit gutem Zureden noch mit Androhung von Gewalt bewegen, er bleibt stehen wie ein sturer Esel. Hoffnung dagegen drängt nach vorne, sie ist eine handlungsmotivierende Ausrichtung auf die Zukunft. Sie bringt Licht ins Dunkel, öffnet den Raum für neue Möglichkeiten.

Bei näherem Hinsehen jedoch kann man den Begriff vielleicht auch gerade aus dieser Widersprüchlichkeit heraus in vielen weiteren Sinndimensionen entfalten. Es steckt beispielsweise ein „Trotzdem-hoffen“ in ihm. Das heißt sich trotz aller Krisen, Rückschläge, Frustration und scheinbarer Ohnmacht an eine Hoffnung zu klammern. So liegt in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Trotz („trutz“) auch die Unerschrockenheit und der Mut. Der Begriff war also nicht vornehmlich negativ als kindlicher Starrsinn konnotiert, sondern bezeichnete eine Form gesunder Gegenwehr oder Standhaftigkeit. Wie in der Trutzburg bietet er Schutz vor den Unbilden der Zeit, vor Angriffen und Anfeindungen. Er bietet Schutz, um sich sammeln und der Hoffnung einen Raum geben zu können, sie zu spüren und in konkreten Plänen und Schritten zu entfalten, ihr die Chance auf Verwirklichung zu geben. Besonders deutlich wird dieses Verständnis in Ernst Blochs dreibändigen Werk Das Prinzip Hoffnung. Hier steht der Trotz für die Weigerung aufzugeben und hartnäckig an utopischen Vorstellungen von einer besseren Welt festzuhalten. Er trotzt der scheinbaren Hoffnungslosigkeit eines „So-war-es-schon-immer“, die lähmt und an die Erfahrungen der Vergangenheit fesselt. Das „Trotzdem-hoffen“ wirkt wie ein Bollwerk, das seine Kraft aus der Vision einer möglichen Zukunft zieht.

Ähnlich, aber ein wenig anders konnotiert, ist eine Hoffnung aus dem Trotz. Sie entdeckt man beispielsweise in dem, was Friedrich Nietzsche mit dem Trotz als Ausdruck des Willens zur Macht meint. Dieser machtvolle Wille bäumt sich auf gegen alle Machtlosigkeit. Er treibt Menschen dazu, sich gegen Zweifel, Selbstmitleid und äußere Widerstände zu behaupten und ihre eigene Stärke zu entfalten. Dabei verhält sich dieser Trotz nicht nur ablehnend reaktiv gegen äußere Zwänge, er wirkt vielmehr kreativ und schöpferisch. Er befähigt dazu, eigene Werte zu setzen und sich über eingefahrene Konventionen hinwegzusetzen. Anstatt das Leben als sinnlos oder unüberwindbar schwierig zu sehen, fordert Nietzsche eine trotzig-bejahende Einstellung, die sich den Herausforderungen des Lebens ebenso unverdrossen wie freimütig stellt. So schöpfen wir Hoffnung aus der Kraft des trotzigen Widerstands und ermächtigen uns selbst. Der Trotz steht für einen kraftvollen Möglichkeitssinn, der die lähmende Hoffnungslosigkeit in einem manchmal überwältigenden Wirklichkeitssinn aufbricht.

Bei diesen Befunden muss man vielleicht anders als eingangs gedacht, feststellen, dass Trotz und Hoffnung gar nicht so widersprüchlich sind, wie sie schienen, zumindest nicht im Sinne einer Gegensätzlichkeit, die blockiert. Ganz im Gegenteil scheinen sie sich in der spannungsreichen Kombination „Trotzhoffnung“ wechselseitig zu brauchen, um ihre jeweiligen Einseitigkeiten auszugleichen: Ein Trotz ohne Hoffnung führt in den Stillstand, er ist dumpf und wirkt, wenn überhaupt, scheuklappenartig linear bloß in eine Richtung. Er steht in der Gefahr, im Gefängnis der eigenen Emotionalität zu verharren oder sich aktivistisch im Kreis zu drehen. Aber auch die so positiv konnotierte Hoffnung hat ihre Schlagseiten. Sie steht in der Gefahr, zur Hybris zu werden, zur billigen (Ver-)Tröstung auf eine bessere Zeit, theologisch gewendet vielleicht auch als Heilsversprechen im Jenseits. Auch hier lauert der Stillstand. Denn eine andere Zeit, umstürzende Entdeckungen, neue technische Errungenschaften, ein anderes politisches System oder der rechte Glaube werden es richten: Hoffnung als Trostpille gegen Angst, Hilflosigkeit und strukturelle Überforderung. Mit dem Trotz in „Trotzhoffnung“ zeigt sich, dass Hoffnung auch geerdet sein muss in einem „Willen zur Macht“, d. h. zur Veränderung, die nicht abwartet, bis (irgend)etwas geschieht. Nicht umsonst entwirft Hans Jonas sein Prinzip Verantwortung als Gegenmodell zu Prinzip Hoffnung. Umgekehrt gewinnt der Trotz mit Hoffnung in „Trotzhoffnung“ eine Haltung. Der schöne Dreiklang aus Halt, Haltung, Verhalten verweist auf die Bedeutung des Halts, auf dem eine Haltung erwächst, die nicht bloß reaktiv wirkt, sondern sich (selbst-)bewusst verhält. Trotzhoffende üben sich in einer Haltung der „positiven Nicht-Hinnahme“, so könnte man in Anlehnung an Gabriel Marcels Philosophie der Hoffnung sagen. „Der Hoffende lebt“, so schreibt Klaus Held, auf paradoxe Weise „aktiv, aber flexibel einem Sieg über das Unheil entgegen, der nicht in seiner Macht liegt, und zeigt damit eine von Demut durchtränkte Stärke.“ Wohingegen der Trotz aus einem selbst kommt, gründet die Hoffnung anderswo. Dieses Anderswo ist unverfügbar, gerade daraus speist sich die Hoffnung.

Die Hochschule für Philosophie feiert in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag. Als Hochschule des Jesuitenordens war es ihr seit jeher nicht nur wichtig, akademische Exzellenz zu fördern, sondern vor allem auch „trotzhoffende“ Menschen – Menschen, die kritisch denken, sich mutig einmischen und ihre Kraft aus einer Hoffnung ziehen, deren Quelle nicht allein in ihnen selbst liegt. Ein ganz besonderes Beispiel für einen Menschen, der den Widerstand aus der Hoffnung heraus übte und die Hoffnung im Widerstand nährte, war der Jesuit Alfred Delp. Er wurde aufgrund seiner Mitarbeit im Kreisauer Kreis und seines unerschütterlichen Bekenntnisses zum christlichen Glauben am 2. Februar 1945 in Berlin Plötzensee hingerichtet. In seiner Vaterunser-Meditation schreibt er, „wo die Dinge sich meinen, die Gewalt sich anbetet, das Leben sich kraft eigenen Rechts auf eigenem Wege ‚selbst verwirklichen‘ will, (wird) nicht nur die Sache, sondern die Widersache geführt“. Der Trotz braucht die Hoffnung, damit die Gewalt nicht nur sich selbst meint. Umgekehrt braucht die Hoffnung auch den Trotz – auch das zeigt sich bei Delp, der in seinem letzten Brief aus dem Gefängnis, nachdem alle seine Mitstreiter hingerichtet wurden, schreibt: „Der Tod der Freunde […] ist an sich schon bitter. Dazu das so nahe und grausame Erlebnis der Logik des Unheils, des Vernichtungswillens bis zuletzt. Und dann wieder dieses so eigenartige Übriggelassen-werden. Ich fühle mich dadurch neu verpflichtet, zu leben und zu hoffen.“ Trotzhoffnung – ein starkes Wort, eine wichtige Botschaft auch für uns, die wir heute leben, in einer prekären Zeit, in der der Extremismus auf unfassbare Weise wieder um sich greift. Weder die billige Hoffnung noch der plumpe Trotz helfen – es gilt, sich in Trotzhoffnung zu üben.

Als Auftakt des Jubiläums der Hochschule für Philosophie findet am 02.02.2025 ein Gedenkakt für Alfred Delp statt, welcher eine Gedenkmesse und eine Gedenkveranstaltung umfasst. Alle sind herzlichst eingeladen. In Zeiten, in denen die Demokratie immer mehr Angriffe erdulden muss, wird das Einstehen für Demokratie und Menschenrechte eine immer wichtigere Aufgabe, die wir zusammen zu meistern lernen müssen. Mehr Informationen zur Veranstaltung und zur Anmeldung finden Sie hier.


Barbara Schellhammer ist Mitglied des Kontrapunkte Redaktions Teams.

Bibliographie

Delp, Alfred (1983): Gesammelte Schriften (Hrsg. Roman Bleistein), Bd. I-IV, Frankfurt: Josef Knecht.

Held, Klaus (2006): Idee einer Phänomenologie der Hoffnung. In: Lomar, Dieter/Fonfara, Dirk (Hrsg.): Interdisziplinäre Perspektiven der Phänomenologie, 126–141. Springer.

Marcel, Gabriel (1957): Philosophie der Hoffnung. München: List.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Barbara Schellhammer (14. Januar 2025). Jahresthema 2025 „Trotzhoffnung“. Kontrapunkte. Abgerufen am 14. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/132vv


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